Jahrestag "Schwarzer Donnerstag" Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Freitag, den 30. September 2011 um 12:34 Uhr

Vor genau einem Jahr, am 30. September 2010 eskalierten die Proteste um das Bahnprojekt "Stuttgart 21". Der damalige baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Mappus ließ Hundertschaften vermummter, paramilitärischer Polizei-Einheiten auf eine angemeldete Schülerdemonstration, sowie eine rahmengebende Großdemonstration los. Der Protest richtete sich gegen "Stuttgart 21" und die im Rahmen dieses Projektes geplante Umweltzerstörung im Stuttgarter Schlossgarten.

Die Demonstranten hatten in einem Akt (basis-)demokratischen "zivilien Ungehorsams" den Stuttgarter Schlossgarten am Hauptbahnhof besetzt, um die Abholzung der dortigen Bäume zugunsten des geplanten Tiefbahnhofs zu verhindern. Der polizeistaatliche Gewaltexzess richtete sich mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Wasserwerfern gegen friedliche Demonstanten, darunter  viele Alte, Kinder und Jugendliche.

Sowohl in seiner Planung als auch in seiner Ausführung wird dieser Polizei-Einsatz von Kritikern durchweg als maßlos und illegal angesehen. Die Ermittlungen zu den unzähligen von Polizisten im Auftrag des Landes Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart begangenen Verbrechen gegen friedliche, unbewaffnete Zivilisten werden bis zum heutigen Tage verfassungs- und rechtswidrig in gemeinschaftlicher Zusammenarbeit von Stuttgarter Polizei, Staatsanwaltschaft und Justiz behindert.

Selbst in der liberalen "Demokratie-Theorie" müssen Legislative, Exekutive und Jurisdiktion streng und eindeutig voneinander getrennt sein. Gemäß eines aufgeklärten Demokratie-Verständnisses wäre das geradezu selbstverständlich und eine fundamentale Grundvoraussetzung für eine wenigstens ansatzweise freiheitliche Gesellschaft. Selbst im liberalen Parteien- und Parlamentsstaat sind die sogenannten "Staatsgewalten" formal dazu verpflichtet, sich gegenseitig zu kontrollieren und das Fehlverhalten einer "Staatsgewalt" durch die jeweils beiden anderen zu korrigieren.

Das Gegenteil davon jedoch geschieht in Stuttgart, und dies mit hoher krimineller Energie. Mit zahlreichen Manipulationen oder Vertuschungen von Beweismaterial, sowie mit Falschaussagen wurde und wird bis heute versucht, den Protest gegen "Stuttgart 21", insbesondere am 30. September 2010 zu kriminalisieren. Die Bilanz des polizeistaatlichen Gewaltexzesses am "Schwarzen Donnerstag" waren und sind eine Tote, ein Erblindeter sowie insgesamt rund vierhundert verletzte Demonstranten.

Das es ist nicht zu mehr Toten und Schwerverletzten gekommen ist, grenzt fast an ein Wunder angesichts des Ausmaßes, der Rücksichts- und Gewissenlosigkeit und der Willfährigkeit der polizeilichen bzw. paramilitärischen Gewalt. Ein schwerkrimineller Akt war insbesondere das Einsetzen der Wasserwerfer, die mit höchstem Druck gezielt auf die Köpfe und Gesichter der Demonstranten gerichtet wurden, um offenbar bewusst schwerste Verletzungen in Kauf zu nehmen und auf diese Weise die Proteste gegen "Stuttgart 21" gewaltsam zu beenden.

Dies ist jedoch bis heute nicht gelungen. Das Großprojekt "Stuttgart 21" ist demokratisch – politisch, rechtlich, fachlich, ökonomisch und ökologisch weder legitimiert, noch legitimierbar. Vielmehr ist das gesamte Projekt von Fehlplanung, Täuschungen und Klüngelei durchzogen und zersetzt. "Stuttgart 21" besitzt also keine wirklichen, vernünftigen Argumente – gewissermaßen folgerichtig, als endgültige Bankrotterklärung, bleibt den Befürwortern nur die Sprache der Gewalt, rhetorisch und praktisch - kriminell, bürokratisch, juristisch und paramilitärisch.

Der polizeiliche Gewaltexzess am "Schwarzen Donnerstag" war eine unverhohlene Kriegserklärung eines Obrigkeitsstaates an die Zivilbevölkerung. Genauer gesagt, an die Teile der Zivilbevölkerung, die dem Obrigkeitsstaat und seinen Beschlüssen und Vorgaben bedingungslosen Gehorsam und kritiklose Unterwerfung verweigern. Dieser Gewaltexzess war letztlich nichts geringeres als ein Offenbarungseid eines tendenziell totalitären Staates, der von Elementen aus vor- und antiaufklärerischen Zeiten und mit eben solchen Geisteshaltungen besetzt und zersetzt ist.

Gewalt ist die Sprache von Herrschern – Herrschaft ist das Gegenteil von Freiheit. Das und nur das ist Aufklärung, also Vernunft, Mündigkeit, Moralität und Freiheit. Alles andere bleibt Irrationalität, Unmündigkeit, Unterwürfigkeit und Unfreiheit. Charaktereigenschaften und verkappte Ideale, die bei willfährigen Handlangern, Bewunderern und Mit- und Nachläufern herrschaftlicher, obrigkeitsstaatlicher Autoritäten äußerst ausgeprägt sind. Besonders auffällig ist dies bei Stuttgart 21-Befürwortern.

Ebenso auch bei prügelnden Polizisten, deren Mut gerade ausreicht, oder nur dazu besonders groß ist, sich an friedlichen, wehrlosen Demonstranten, Alten, Kindern und Jugendlichen zu vergreifen. Auf Geheiß einer Obrigkeit. Ein Polizeiapparat, der zum Gehorsam zur Gewalt gegen wehrlose, friedliche Zivilisten verpflichtet ist, ist in seinem ganzen Wesen nach völlig unfähig zum Repräsentieren und Stützen einer demokratischen Gesellschaft, einer "freiheitlichen Grundordnung". Im Gegenteil ist er nichts weiter als der Gewaltapparat eines Obrigkeitsstaates, einer Diktatur.

Die sich im permanenten, potenziellen Bedrohtheits- und Kriegszustand mit der Gesellschaft, mit der Freiheit befindet. Mit Menschen, die teilhaben und mitbestimmen wollen, souverän und mündig, auf Basis der Vernunft, anstelle herrschaftlicher Vernunft- und Freiheitssurrogate. In Zeiten, wie den gegenwärtigen, angesichts des weltweiten Kollaps einer Wirtschaftsdiktatur, der politische Herrschaftsstrukturen, teils sich willfährig andienend, unterworfen sind, wird dies, Herrschaft und Gewalt als deren Grundlage, und als einzige Antwort auf die zunehmenden sozialen Proteste, über alle Maßen ersichtlich.

In Zeiten wie diesen, unter wirtschaftlichen und politischen, polizeistaatlichen Bedingungen, wie den gegenwärtigen, ist "ziviler Ungehorsam" Pflicht, ja überhaupt nur demokratisch. Freiheit, im aufgeklärten Verständnis als das diametrale Gegenteil von Herrschaft, muss das Ziel bleiben. Denn Freiheit und Demokratie sind weiterhin viel mehr nur Ideen und Ideale, als praktisch verwirklicht, als gesellschaftlich und politisch realisiert.

In der politischen Realität sind Freiheit und Demokratien ideologische Surrogate, die vom Parteien- und Polizeistaat für sich selbst, als Herrschafts- und Gewaltlegitimation in Anspruch genommen werden. Ein solcher Obrigkeitsstaat, wie der gegenwärtige liberale parlamentarisch und (ministerial-)bürokratisch organisierte Parteien- und Polizeistaat, in der die Staatsgewalten ineinander verschmolzen sind, hat keinerlei Ambitionen und Potenzial zur Freiheit.

Ein Obrigkeitsstaat also mit einer Exekutive, in der Legislative und Jurisdiktion als parlamentarischer, bürokratischer, juristischer und polizeilicher, tendenziell paramilitärischer Gewaltapparat aufgegangen sind, ist faktisch eine Diktatur. Ein Staat, der zwangsläufig, bereits nach seinen eigenen "Demokratie"-Maßstäben, selbst keine demokratische Legitimation hat. Von im Geheimen geplanten, hoheitlich verordneten und schließlich gewaltsam vollstreckten Projekten wie "Stuttgart 21" ganz zu schweigen.