Das Rad der Geschichte Drucken
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Geschrieben von: Baraka   
Mittwoch, den 21. Juli 2010 um 00:00 Uhr

Das Rad der Geschichte dreht sich - und egal, ob mit oder gegen den Uhrzeigersinn, kehrt der Zeiger stets an frühere Ausgangspunkte zurück. Und landläufig längst überwunden geglaubte, oder von moralistischer Propaganda liberaler Demagogen stets als längst überwunden deklarierte - oder doch nur beschworene? - Herrschaftsideologien und -strukturen drohen nicht nur, sich zu wiederholen, in neuem, modifizierten Gewand auf der Bildfläche der Gegenwart zu erscheinen, sondern man muss sogar konstatieren, dass sie nie wirklich und gänzlich verschwunden sind, sondern unentwegt in neuen, moralistischen, politischen, wissenschaftlichen, ökonomischen Fassaden erscheinen und vor allem bleiben, anstatt in den Orkus der Geschichte zu entfleuchen, der heute mehr Not tut, denn je.

Nein, stattdessen heißt es heutzutage: "Mehr Diktatur wagen". Als Begründung und Legitimation dafür, dass die selbsternannten "Demokratien" bürgerlich-liberaler Prägung, diese autoritären, repressiven Parlaments- und Parteienstaatlichen Demokratiesurrogate der Bourgouisie gescheitert sind, keine Freiheit, sondern nur Herrschaft unter dem Deckmäntelchen der Freiheit, einer pervertierten, ökonomisch und politisch verwerteten Freiheit verkaufen. Tatsächlich und letztendlich jedoch ausschließlich deswegen, weil den neuen alten Diktaturfetischisten die hierarchisch-elitären Machtstrukturen der gegenwärtigen Pseudo-Demokratien noch nicht elitär, noch nicht autoritär, noch nicht repressiv, noch nicht zentralistisch, noch nicht totalitär genug sind.

Die absolute Herrschaft einer kleinen Elite, voraussichtlich einer Finanzaristokratischen Elite, unter Beteiligung einer kleinen Minderheit degenerierter, krimineller Erfüllungsgehilfen, zumeist politischer Machtfunktionäre in der Peripherie dieses neuen, alten großbürgerlichen Absolutismus, ist der neue uralte Traum aller Herrschaftsfunktionäre - und dies je mehr, umso maroder die Machtsysteme sind, die sie repräsentieren - und an die sie letztlich sklavisch gebunden sind...

 

Prekaer.info: Mehr Diktatur wagen

von Ulrich Rippert

Professor Münkler preist die Vorzüge autoritärer Herrschaftsformen

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Doch nun meldet sich ein Professor der Berliner Humboldt-Universität mit dem Vorschlag zu Wort, die Ängste der Vergangenheit zu überwinden und unvoreingenommen über das "Bedürfnis nach bonapartistischen Lösung" zu sprechen. Unter der Überschrift "Lahme Dame Demokratie" fordert Professor Herfried Münkler dazu auf, einen frischen, unverkrampften Blick auf das Verhältnis von Demokratie und Diktatur zu werfen.

Münkler lehrt politische Theorie am Institut für Sozialwissenschaften der Berliner Humboldt-Universität und wird in einem Spiegel -Bericht als "einer der gefragtesten Politikberater Deutschlands" bezeichnet, der "interessante Denkanstöße" gebe. Sein jüngster "Denkanstoß" erschien in der Mai/Juni-Ausgabe des Magazins Internationale Politik, das von der renommierten Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) herausgegeben wird.

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Ausführlich befasst sich Münkler dann mit der Frage, wie die "drei Quellgründe der europäischen Kultur - die abrahamitischen Religionen, die griechische Philosophie und das römische Rechtsdenken - ... mit dem Problem der Regeneration einer politischen Ordnung und der Bewältigung von Ausnahmesituationen und außerordentlichen Herausforderungen" umgegangen seien.

Während er den biblischen Propheten und der griechischen Tyrannis wenig Positives abgewinnen kann, gesteht er der altrömischen Diktatur zu, dass sie "als Ordnung der Unordnung" konzipiert und lange Zeit recht nützlich gewesen sei. "Über mehrere Jahrhunderte ist Rom mit dieser extrakonstitutionellen Reserveinstitution gut gefahren", schreibt er. Erst im Bürgerkrieg des ersten vorchristlichen Jahrhunderts sei "der Ruf der Diktatur als Mittel zur Wiederherstellung der Ordnung" dann beschädigt worden.

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Obwohl Münkler mehrfach betont, er wolle nur die bisherige Sichtweise hinterfragen und sei kein Verfechter diktatorischer Maßnahmen, lässt seine Bezugnahme auf Carl Schmitt keinen Zweifel daran, wes Geistes Kind er ist. Mit keinem Wort distanziert er sich vom einstigen Kronjuristen des Dritten Reiches. Im Gegenteil, er preist ihn als Verfechter einer gemäßigten kommissarischen Diktatur. "Wenn heute verschiedentlich von diktatorischen Befugnissen und Maßnahmen die Rede ist, dann zumeist im Sinne dessen, was Schmitt als kommissarische Diktatur bezeichnet hat."

Carl Schmitt hatte die Parlamentarische Demokratie in seinen politischen Schriften als "veraltete bürgerliche Regierungsmethode" bezeichnet, die gegenüber den aufkommenden "vitalen Bewegungen" - gemeint war vor allem Hitlers NSDAP - ihre Evidenz verloren habe. Der "relativen" Rationalität des Parlamentarismus trete der Irrationalismus mit einer neuartigen Mobilisierung der Massen gegenüber, schrieb Schmitt. Der Irrationalismus versuche gegenüber der ideologischen Abstraktheit und den "Scheinformen der liberal-bürgerlichen Regierungsmethoden" zum "konkret Existenziellen" zu gelangen. Dabei stütze er sich auf einen "Mythos vom vitalen Leben". Er verkörpere Wille und Tat.

Hier ist der "vitale Neffe", den Professor Münkler der "alten Tante" Demokratie als kommissarischen Diktator zur Seite stellen will.

Es ist mehr als vier Jahrzehnte her, seit Willy Brandt 1969 in seiner Regierungserklärung versprach: "Mehr Demokratie wagen!" Das war nur eine Phrase, die dazu dienen sollte, die protestierenden Studenten und streikenden Arbeiter von der Straße zu holen. Verwirklicht wurde sie nie. Nachdem die damalige Politik der sozialen Reformen in Trümmern liegt und ein beispielloser sozialer Niedergang stattfindet, treten nun Leute auf, die ungeniert fordern: "Mehr Diktatur wagen!"

Münklers Artikel, der als Aufmacher in einem führenden Politik-Magazin erschien, sollte nicht leicht genommen und als professorales Geschwätz eines überdrehten Historikers abgetan werden. Münkler ist in höchsten Politikerkreisen bestens vernetzt und seine - bewusst in akademischem Ton gehaltenen - Ausführungen machen deutlich, wie intensiv in der gegenwärtigen Krise über den Abbau demokratischer Rechte und die Errichtung neuer, autoritärer Herrschaftsformen nachgedacht wird.

 

Der gesamte Text auf "Prekaer.info".