Proteste weiten sich aus Drucken
Geschrieben von: Baraka   
Mittwoch, den 02. Februar 2011 um 02:51 Uhr
  •    Proteste in Ägypten

Auch am Dienstag haben in ganz Ägypten Millionen von Menschen gegen das Regime von Präsident Husni Mubarak demonstriert. Nach Angaben von Al-Jazeera waren allein in Kairo bis zu zwei Millionen Menschen auf der Straße. Die Opposition hatte zuvor zu einem "Marsch der Millionen" aufgerufen.

Mubarak kündigte schließlich in einer Fernsehansprache, dass er nicht zurücktreten, sondern bis zur Präsidentenwahl im September im Amt bleiben, sich aber nicht zur Wiederwahl aufstellen lassen werde. Nach der Rede kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Anhängern des Präsidenten. Nach Ansicht von Regime-Gegnern habe es sich erneut um zivile Polizisten und Sicherheitskräfte gehandelt, mit der Absicht zu provozieren, und um Gewalt und Panik zu schüren.

Mubarak hatte in seiner Ansprache erklärt, dass junge Leute ein Recht auf friedliche Demonstrationen hätte, berichte Al-Jazeera. Die Demonstranten seien aber von Menschen in Anspruch genommen worden, die versuchten "die Regierung zu unterlaufen". Die Demonstranten hingegen bekräftigten ihre Forderung nach dem sofortigen Rücktritt Mubaraks.

Der Publizist und Nahost-Experte Peter Scholl-Latour sagte im Deutschlandfunk, dass er mit dem Rücktritt Mubaraks rechne. Seine letzte politische Stunde habe geschlagen. Der innerhalb westlicher Medien als Hoffnungsträger der Opposition bezeichnete Mohammed El Baradei habe nach Meinung von Scholl-Latour aber keine große Chancen als Nachfolger Mubaraks im ägyptischen Präsidentenamt, da er in dem Land zu unbekannt sei.

Dagegen habe die Muslimbruderschaft, die sich den Protesten früh angeschlossen hatte, aber derzeit abwartend reagiere, aussichtsreiche Chancen bei einer Neubildung der Regierung. Die Muslimbrüder wie auch der Islam in Ägypten an sich seien inzwischen nicht mehr radikal, so Scholl-Latour. Zudem seien sie die einzige wirklich organisierte Kraft der Opposition. Der Publizist wies auf die generellen Unterschiede des Demokratieverständnisses islamischer und westlicher Staaten hin.

Der Islamwissenschaftler und frühere Leiter des Deutschen Orient-Institutes Udo Steinbach sagte auf Deutsch Türkische Nachrichten, dass die Vorstellung, Islam und Demokratie seien unvereinbar, falsch sei. Auch spiele die Religion innerhalb der hauptsächlich aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen ausgebrochenen Proteste in Ägypten nur eine Nebenrolle. Eine Radikalisierung im Land in den letzten Jahren sei eine Folge der Repression und der Tatsache, dass mit dem Islam von Seiten des Mubarak-Regimes herum gespielt worden sei.

Normalerweise lebten Muslime und Kopten friedlich zusammen, seit der Islam in das Land gekommen sei. Die Muslimbruderschaft sei innerhalb der muslimischen Bevölkerung Ägyptens eine kleine Minderheit. Ihr derzeit relativ hohes Profil habe sie durch ihre Beteiligung an den Parlamentswahlen als Konkurrent von Mubarak erworben. Sie sei eine starke, aber keineswegs radikale Bewegung, wie es oft heiße. Dass sie die Führung der Opposition und die Macht in dem Land übernehme, hält Steinbach für unwahrscheinlich.

 

 

  •    Arabische Proteste

Auch in der übrigen arabischen und nordafrikanischen Welt formieren sich zunehmend Proteste gegen die herrschenden Machthaber. Nach Protesten im Jemen und in Jordanien formiere sich nach Medienberichten nun auch in Algerien und Syrien, sowie im Sudan Widerstand gegen politische und wirtschaftliche Missstände. In Jordanien entließ König Abdullah II. seinen Ministerpräsidenten und kündigte Reformen an. Eine Protestbewegung formiert sich auch im Gazastreifen, berichtet Spiegel Online.

Über die Internet-Plattform Facebook verbreiten palästinensische Jugendliche ein "Manifest für den Wandel“. Darin positionieren sie sich eindeutig: "Fick dich, Israel. Fick dich, Hamas. Fick dich, Fatah. Fick dich, Vereinte Nationen. Fick dich, Flüchtlingshilfswerk. Und fick dich, USA." Im arabischen Original laute die sinngemäße Übersetzung allerdings am ehesten: "Verderben über sie" oder "zur Hölle mit ihnen".

In einer ersten Version des Textes hätten die Autoren die Hamas noch vor Israel als Wurzel allen Übels benannt. Erst nach Protesten von Fans sei die Reihenfolge geändert worden. Weiter schreiben die Autoren: "Wir wollen frei sein. Wir wollen ein normales Leben leben können. Wir wollen Frieden. Verlangen wir zu viel?"

Bereits über 19.200 Facebook-User haben sich in den vergangenen Wochen schon als Fans der Initiative "Gaza Youth Breaks Out" (GYBO – dt: "Gaza-Jugend bricht aus") registriert. Fünf Männer und drei Frauen hatten den Protest bereits Anfang Dezember anonym veröffentlicht. Auslöser für den Protest sei die Schließung des Scharek-Jugendzentrums in Gaza am 30. November 2010 gewesen. Sicherheitskräfte der Hamas hätten eine Demonstration gegen die Schließung gewaltsam aufgelöst.

"Wir wollen schreien und die Mauer des Schweigens, der Ungerechtigkeit und der Gleichgültigkeit durchbrechen. Wir sind wie Läuse zwischen zwei Fingernägeln, wir leben einen Alptraum im Alptraum, kein Raum für Hoffnung, kein Platz für Freiheit." Von außen würden sie von der Blockadepolitik Israels und Ägyptens eingepfercht, von innen durch die herrschende Hamas mundtot gemacht, schreiben die Verfasser des Textes.

Mit dem Schreiben bringen sie ihre Unzufriedenheit mit allen Parteien des sogenannten "Friedensprozesses", aber auch ihre Verzweiflung und Angst vor Repressalien durch die Hamas, sowie ihre Hoffnung und den Wunsch nach einer bessereren Zukunft zum Ausdruck. Die Hamas befürchte offenbar bereits vergleichbaren Widerstand gegen ihr Regime wie in Kairo gegen das Regime von Mubarak. Eine Solidaritätsdemonstration mit den Protesten in Ägypten habe die Organisation inzwischen bereits gewaltsam aufgelöst.

 

 

  •    Angriffe auf Pressefreiheit im Sudan

Reporter ohne Grenzen (ROG) zeigt sich besorgt über die massive Verschlechterung der Lage der Pressefreiheit im Sudan. Die jüngste Welle von Repressionen gegen Medienschaffende ereignete sich am 30. Januar in dem nordostafrikanischen Land: Mindestens sechs Journalisten wurden bei Protesten gegen die Regierung festgenommen. Außerdem wurden die Ausgaben von zwei Tageszeitungen konfisziert und eine Reihe von Internetseiten blockiert.

ROG verurteilt die Übergriffe und Einschüchterungsmaßnahmen gegen Journalisten sowie die Zensur. "Die Medien werden daran gehindert, über die Proteste und deren Niederschlagung durch Sicherheitskräfte zu berichten", kritisiert ROG. "Die Behauptung der Behörden, die Reporter gefährdeten die nationale Sicherheit, ist nicht aufrechtzuerhalten. Die Journalisten sind lediglich ihrer Aufgabe nachgekommen, die Bevölkerung über die aktuellen Ereignisse zu informieren", kritisiert ROG.

Am 30. Januar fanden in verschiedenen Städten des Sudan, vor allem in Khartum und in dem etwa 15 Kilometer nördlich der Hauptstadt gelegenen Omdurman, Demonstrationen statt. Inspiriert von den Protestbewegungen in Tunesien und Ägypten forderten die Teilnehmer der Demonstrationen ein Ende der "Ungerechtigkeit und Erniedrigung".

Die Proteste richteten sich unter anderem gegen aktuelle Preiserhöhungen und die Regierung unter Staatschef Omar Hassan Ahmad al-Baschir. Die Demonstrationen wurden über das soziale Netzwerk Facebook organisiert: Eine Gruppe mit dem Namen “30. Januar, ein Wort an die sudanesische Regierung“ rief über das soziale Netzwerk zu friedlichen Demonstrationen auf. Die Seite der Gruppe ist mittlerweile blockiert.

Fünf der am Sonntag verhafteten sechs Reporter – drei Mitarbeiter von sudanesischen Zeitungen, ein Korrespondent einer katarischen Zeitung und ein Korrespondent einer türkischen Nachrichtenagentur sind offenbar nach wie vor in Haft. Dagegen wurde ein Fotograf, ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP), nach rund zwei Stunden wieder freigelassen.

Eine Reihe von Journalisten haben über Anweisungen der Behörden berichtet, die Demonstrationen nicht zu thematisieren. In der Nacht vom 30. auf den 31. Januar wurden zudem die Ausgaben der Tageszeitungen Al Sahafa und Ajras al-Hurriya mit Berichten über die Demonstrationen beschlagnahmt.